Schöne Frau, schöne Stimme Sade - tatsächlich 60
Von Steffen Rüth 16.01.2019, 13:10 Uhr
Es gibt sie noch, diese Stars, die mystisch sind, die mystisch bleiben, die nicht alles auf Instagram posten, und die dennoch - oder gerade deswegen - so erfolgreich sind. Einfach, weil sie es draufhaben. Sängerin Sade gehört eindeutig dazu.
"Willst du was gelten, mach dich selten" - es ist nicht damit zu rechnen, dass Sade, die am 16. Januar 1959 als Helen Folasade Adu im nigerianischen Ibadan zur Welt kam, für die Party zu ihrem 60. Geburtstag, sagen wir mal, einen trendigen Nachtclub in London gemietet hat. Auch sollte niemand davon ausgehen, von der Feier anschließend schöne oder auch nur "Betrunkene-Promis-liegen-sich-im-Arm"-Fotos auf Instagram zu Gesicht zu bekommen. Doch, doch, Sade ist bei Instagram, so ist es nicht. Allerdings hat sie dort außer ihren zwölf bisherigen Plattencovern nichts gepostet, trotzdem folgen ihr 212.000 Menschen. Das Bedürfnis, zumindest der dringende Wunsch, mehr oder auch nur irgendetwas über eine der außergewöhnlichsten Prominenten der Welt zu erfahren, ist so gigantisch wie notorisch unbefriedigt.
Möglicherweise, denn tatsächlich weiß das außer ihr selbst und den Eingeladenen wohl niemand, wird Sade an diesem Mittwoch bei sich zu Hause feiern. Beschaulich. Ihr Partner Ian Watts dürfte dabei sein, ein ehemaliger Soldat, der heute als Chemiker arbeitet und bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv ist. Die beiden sind seit mehr als zehn Jahren liiert. Das Paar lebt in einem alten und liebevoll grundsanierten Bauernhaus in Stroud, einem Dörfchen in den Cotswolds, einem hügeligen und waldigen Teil Englands in der Provinz Gloucestershire, nicht allzu weit von Oxford entfernt. Schöner ist es auf der britischen Insel wohl nirgendwo. Gut möglich, dass auch Ians inzwischen erwachsener Sohn dabei ist, und auch Sades Sohn Izaak, 22, dürfte seiner Mutter gratulieren kommen, das Verhältnis der beiden gilt als sehr eng. Izaak wurde als Mickailia ("Ila") geboren und lebt seit 2016 offiziell als Mann.
Von Nachbarn wird Sade - der Vater war ein nigerianischer Wirtschaftswissenschaftler, die Mutter eine englische Krankenschwester, nach der Trennung der Eltern zog das vierjährige Mädchen mit seiner Mutter nach England - als freundlich und herzlich beschrieben. Auch wenn oft anderes behauptet wird: Sade ist keine Sphinx, kein Phantom, keine Diva und kein Mysterium. Sie hat einfach nur gern ihre Ruhe. Auf roten Teppichen sieht man sie in aller Regel nicht, Interviews oder TV-Auftritte meidet sie, und war ihre konsequente Zurückgezogenheit schon vor der Existenz des Internets ein Kuriosum, so verdient ihre sympathische Scheu im Zeitalter der sozialen Medien erst recht allerhöchsten Respekt.
Wunderschöne Frau mit wunderschöner Stimme
Man muss es sich freilich auch erlauben können, die üblichen Popstarspielchen nicht mitzuspielen. Sade, die in London ein Modestudium abschloss, bevor sie mit befreundeten Musikern (die bis heute in ihrer Band spielen) zunächst als Pride, ab 1983 unter dem Namen Sade in Londoner Jazzclubs für Furore sorgte, brauchte auf den Erfolg nicht lange zu warten. "Smooth Operator" wurde gleich ein Welthit, das Debütalbum "Diamond Life" 1984 ein unglaublicher Erfolg. Ihr Stil stach damals schon heraus. In einer von Synthesizern, verrückten Frisuren und bonbonfarbener Oberflächlichkeit geprägten Popwelt der mittleren Achtziger war da plötzlich diese wunderschöne Frau mit dieser wunderschönen Stimme. Ein bisschen traurig klang sie immer, aber auch warm, umschmeichelnd, streichelnd. Die Songs - etwa "By Your Side", "Love Is Stronger Than Pride", "No Ordinary Love" - altern genauso gut, sprich: gar nicht, wie Sade selbst. Sie sind zeitlos, klassisch elegant, einzigartig und voller Grazie.
Ihren Stil, angesiedelt irgendwo zwischen Soul, Jazz, Folk und Pop, hat Sade in den 35 Jahren ihrer Karriere, in der sie mehr als 70 Millionen Alben verkauft hat, nicht verändert. Warum hätte sie das auch tun sollen? Nach vier Alben bis Anfang der Neunziger verringerte sie die Frequenz, in der sie neue Musik veröffentlichte, allerdings deutlich. Sade begann und beendete ein paar Beziehungen, wurde Mutter, ließ sich nicht verrückt machen. 2000 kam "Lovers Rock", 2010 "Soldier Of Love", ihr bis jetzt jüngstes Studioalbum. Sie bringe nur dann neue Lieder heraus, wenn sie auch etwas zu erzählen habe, so sagte Sade schon vor vielen Jahren. Ansonsten lebt sie ihr Leben, während ihr Ruhm trotz, womöglich auch wegen, der beharrlichen Nichtpräsenz noch zunimmt. Alte Sade-Tour-T-Shirts kosten locker dreistellige Beträge, spätestens seit Kanye West 2016 dauernd mit einem Vintage-Short der "Love Deluxe"-Tour herumlief. Und ihr Kumpelfreund Drake (es gibt sogar ein Foto, aufgenommen 2017 in London, auf dem der Rap-Superstar im linken Arm Sade, im rechten seine Mutter hält), hat sich gleich zwei Sade-Tattoos auf den seitlichen Torso stechen lassen.
Die stille Existenz der Sade Adu dürfte sich indes dem Ende nähern. 2018 veröffentlichte sie ihre ersten beiden Songs seit acht Jahren: "Flowers Of The Universe" aus dem Soundtrack zu "Das Zeiträtsel" und, ebenfalls aus einem Film, nämlich "Widows - Tödliche Witwen", das Lied "The Big Unknown", für das sie nun sogar eine Oscar-Nominierung erhielt. Beide Songs tropfen wie eh und je vor Melancholie und Erhabenheit und fragt man nach bei ihrer Plattenfirma, so lautet die spärliche Information: Man rechne in diesem Jahr mit einem neuen Album. Aber Genaues wisse man auch nicht.